Ein aktueller „Schwachstellenbericht Siedewasserreaktoren Baulinie 69“ offenbart gravierende Sicherheitsdefizite der deutschen Atomkraftwerksblöcke Isar-1, Philippsburg-1, Brunsbüttel und Krümmel. In der Zusammenfassung des Berichts vom Oktober 2010 des Instituts für Sicherheits- und Risikowissenschaften in Wien heißt es, dass „die schwerwiegenden Konstruktionsmängel … durch keinerlei Nachrüstungsmaßnahmen ausgeglichen werden“ können. Die Studie wurde von zwei österreichischen Landesregierungen sowie von der Umweltanwaltschaft Wien in Auftrag gegeben und löste bei der bayerischen Atomaufsicht heftige Reaktionen hervor. Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW fordert auch vor diesem Hintergrund, dass der Deutsche Bundestag morgen nicht wie geplant Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke beschließt.
Nach Einschätzung des an dem Bericht beteiligten Prüfingenieurs und langjährigen Siemens-Mitarbeiters Wilfried Rindte stellen die Schwachstellen „ein erhebliches Risiko für den Weiterbetrieb der Anlage dar“.
Der von insgesamt acht Fachleuten, darunter zwei Universitätsprofessoren, erstellte Bericht basiert auf detaillierten Berechnungen und listet eine Reihe brisanter Schwachstellen auf. So ist beim Reaktordruckbehälter der betroffenen Atomkraftwerke „ein ausreichender Sicherheitsabstand zwischen Kern und Schweißnaht nicht gegeben“. Es besteht die Gefahr von „Ermüdungsrissen“. Daneben sind „weitere Schädigungsprozesse infolge des Dauerbetriebs möglich“. Für das Atomkraftwerk Krümmel fehlt offenbar eine aktuelle „Thermoschock-Analyse“. Das Brennelement-Lagerbecken für die hoch-radioaktiven abgebrannten Brennstäbe liegt im oberen Teil des Reaktorgebäudes außerhalb des Sicherheitsbehälters, was eine „offensichtliche Gefährdung“ darstellt. Die Erdbebensicherheit ist nicht nach den Richtlinien der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA gewährleistet.
Besonders brisant ist, dass in den betroffenen Atomkraftwerken bevorstehende Risse nicht rechtzeitig erkannt werden können. So schreiben die Autoren: „Bei einer Besichtigung des baugleichen Reaktordruckbehälters im Oktober 2010 im baugleichen Reaktor in Zwentendorf wurde von den Autoren festgestellt, dass diese kritische Schweißnaht durch automatisierte Prüfsysteme (Farbeindringprüfung, Magnetpulverprüfung, US-Prüfung) nicht zugänglich ist.“
Selbst vom TÜV wurde aktuell (2010) zugegeben, „dass weder die Werkstoffwahl, noch die Fertigungsbedingungen den Forderungen des Basissicherheitskonzeptes entsprechen, und zusätzlich durch die Mängel bei Design und Herstellung die Prüfbedingungen eingeschränkt sind, so dass auch die Fehlererkennbarkeit nicht gewährleistet ist“.
Kommt es zu einem schweren Unfall, dann ist laut der Studie „mit Sicherheit eine große Freisetzung von Radioaktivität in die Umgebung“ die Folge.
Die IPPNW weist darauf hin, dass auch die alten deutschen Druckwasserreaktoren wie Biblis zahllose gefährliche Sicherheitsdefizite aufweisen. „Durch die jüngst von den Atomaufsichtsbeamten in Bund und Ländern beschlossene neue Nachrüstliste wie auch durch ein Gutachten der Bundesatomaufsicht sind nunmehr zahllose Schwachstellen vielfach bewiesen“, so IPPNW-Atomexperte Henrik Paulitz.
Den „Schwachstellenbericht Siedewasserreaktoren Baulinie 69“ finden Sie hier:
www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/2010_10_08_Schw...
Siehe auch „"Nachrüstungsliste" bestätigt wesentliche Biblis-Mängel“
www.ippnw.de/startseite/artikel/0d757d07ac/nachruestungsl...