klimawandel

Klagen der AKW-Betreiber gegen das Bundesumweltministerium gescheitert

Gabriel begrüßt Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Strommengen

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat sich zufrieden über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage der Strommengenübertragung geäußert. Danach dürfen Strommengen des stillgelegten Atomreaktors Mülheim-Kärlich nicht auf die Atomkraftwerke Biblis A und Brunsbüttel übertragen werden. „Die obersten Verwaltungsrichter haben unsere Rechtsauffassung und die Rechtmäßigkeit unserer Entscheidung uneingeschränkt bestätigt. Das Urteil schafft Rechtssicherheit für den weiteren Vollzug des Ausstiegsgesetzes“, sagte Gabriel. Der Minister appellierte an die Kraftwerksbetreiber, endlich seinen Vorschlag aufzugreifen und die ältesten Atomkraftwerke abzuschalten. Das Atomgesetz biete die Möglichkeit, Strommengen zustimmungsfrei und in eigener Verantwortung der Betreiber von älteren Atomkraftwerken auf jüngere zu übertragen. Das erbrächte einen hohen sicherheitstechnischen Gewinn.

Um eine Laufzeitverlängerung von Biblis A, dem ältesten in Deutschland betriebenen Atomkraftwerk, zu erreichen, hatte der Stromkonzern RWE im September 2006 beim Bundesumweltministerium die Zustimmung zu einer Übertragung von Strommengen beantragt. Die Übertragung sollte aus dem Kontingent erfolgen, das RWE im Atomgesetz für das stillgelegte Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich zugewiesen wurde. Im März 2007 stellte das Unternehmen Vattenfall einen entsprechenden Antrag für das Atomkraftwerk Brunsbüttel. Diese Anträge lehnte das Bundesumweltministerium im Mai bzw. August 2007 ab, da Biblis A und Brunsbüttel im Atomgesetz nicht in der Liste der Anlagen aufgeführt sind, auf die Reststrommengen von Mülheim-Kärlich übertragen werden können.

Gegen die Ablehnungsbescheide hatten RWE und Vattenfall Klagen bei den zuständigen Verwaltungsgerichten eingereicht. In den Klagebegründungen vertraten die Konzerne die Rechtsauffassung, dass das Atomgesetz mit Zustimmung des Bundesumweltministeriums eine Übertragung auch auf andere Atomkraftwerke zulasse. Sie beriefen sich hierbei auf ein in ihrem Auftrag erstelltes Rechtsgutachten.

Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht (OVG) und der Hessische Verwaltungsge-richtshof (VGH) hatten im Januar und Februar 2008 die Klagen gegen das Bundesumweltministe-rium abgewiesen, jedoch wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Diese Revisionen der Kraftwerksbetreiber hat das Bundesverwaltungsgericht heute abgelehnt. Die RWE zum Ausgleich für das Atomkraftwerk Mül-heim-Kärlich zugewiesene Strommenge könne nur auf bestimmte, in der Fußnote der Anlage 3 zum Atomgesetz abschließend aufgeführte Kraftwerke übertragen werden. Das Bundesumwelt-ministerium sei nicht ermächtigt, eine Übertragung auf andere Anlagen zuzulassen, urteilte das Bundesverwaltungsgericht im Anschluss an eine mündliche Verhandlung.

Das Ziel einer Laufzeitverlängerung ihrer ältesten Atomkraftwerke verfolgen die Energieversorgungsunternehmen auch mit drei weiteren Anträgen auf Zustimmung zur Übertragung von Strommengen jüngerer Atomkraftwerke. Den RWE-Antrag zur Übertragung vom Atomkraftwerk Emsland auf das ältere Atomkraftwerk Biblis A sowie den Antrag des Konzerns EnBW zur Über-tragung vom jüngsten deutschen AKW Neckarwestheim 2 auf den älteren Block Neckarwestheim 1 hat das Bundesumweltministerium im April bzw. Juni 2008 abgelehnt. Ein Sicherheitsvergleich beider Anlagen hatte jeweils ergeben, dass das ältere Atomkraftwerk über weniger Sicherheitsre-serven verfügt als das jüngere. Auch zur Sicherstellung der Energieversorgung und zum Klima-schutz sind diese Strommengenübertragungen nicht erforderlich. Vattenfall hat zudem einen An-trag gestellt, Strommengen des jüngeren Atomkraftwerkes Krümmel auf das ältere AKW Bruns-büttel zu übertragen. Über diesen Antrag hat das Bundesumweltministerium noch nicht!
entschie-den. Auch bei diesen Anträgen versuchen die Kraftwerksbetreiber, eine Laufzeitverlängerung ihrer älteren Atomkraftwerke Biblis A, Neckarwestheim 1  und Brunsbüttel durch verwaltungsge-richtliche Klagen gegen das Bundesumweltministerium zu erreichen.

Hintergrund:

Das Atomgesetz enthält für das Kontingent, das RWE für Mülheim-Kärlich zugebilligt wurde, eine spezielle Festlegung der Übertragungsmöglichkeiten. In Anlage 3 des Gesetzes werden die Atom-kraftwerke einzeln aufgeführt, auf welche diese Strommenge von insgesamt 107,25 Tera-wattstunden (TWh) aus Mülheim-Kärlich übertragen werden darf.

Es sind dies die Atomkraftwerke Emsland, Neckarwestheim 2, Isar 2, Brokdorf sowie Gundrem-mingen B und C. Auf Biblis B dürfen maximal 21,45 TWh von Mülheim-Kärlich übertragen wer-den. Das Atomkraftwerk Biblis A ist in der Fußnote zur Anlage 3 nicht genannt. In § 7 Absatz 1d Atomgesetz ist zudem festgelegt, dass die aus Mülheim-Kärlich stammende Elektrizitätsmenge „nur nach Übertragung auf die dort aufgeführten Kernkraftwerke in diesen produziert werden darf“. Mit diesen gesetzlichen Vorschriften wurde die Regelung, die Bundesregierung und Ener-gieversorgungsunternehmen im Atomkonsens vom 14. Juni 2000 zu Mülheim-Kärlich getroffen haben, einschließlich der dort bereits vorgesehenen Beschränkungen der Übertragungsmöglich-keiten, umgesetzt.

Das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich wurde 1986 fertig gestellt und in Betrieb genommen. Im September 1988 musste RWE den Betrieb einstellen, nachdem das Bundesverwaltungsgericht die 1975 erteilte Erste Teilgenehmigung aufgehoben hatte. Eine 1990 neu erteilte Erste Teilgeneh-migung wurde 1995 wegen unzureichender Ermittlungen der Genehmigungsbehörde zur Erdbe-benauslegung ebenfalls gerichtlich aufgehoben. Im Rahmen der Verhandlungen über den Atom-ausstieg verpflichtete RWE sich gegenüber der Bundesregierung, den Genehmigungsantrag für das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich und eine Schadenersatzklage gegen die rheinland-pfälzische Genehmigungsbehörde zurückzuziehen.

Zum Ausgleich sollte RWE die Möglichkeit erhalten, 107,25 TWh auf bestimmte andere Atom-kraftwerke zu übertragen. Im Atomkonsens zwischen der Bundesregierung und den Energiever-sorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000 wurde hierzu festgelegt: „Es besteht Einvernehmen, dass diese Strommenge auf das KKW Emsland oder andere neuere Anlagen sowie auf die Blöcke B und C des KKW Gundremmingen und max. 20 Prozent auf das KKW Biblis B übertragen wer-den.“

Weitere Informationen im Internet unter www.bmu.de.