klimawandel

02.02.2009: Umweltgesetzbuch ist am Widerstand Bayerns und der Union gescheitert

Gabriel: Dumpfer Reformunwillen und blinde Blockadepolitik verhindern Vereinfachung des Umweltrechts

Zum Scheitern des Umweltgesetzbuches (UGB) erklärt Bundesumweltminister Sigmar Gabriel:

„Das Umweltgesetzbuch (UGB) ist am Widerstand Bayerns und an mangelnder Kompromissbereitschaft auf Seiten der Union gescheitert. Ich habe mich am letzten Montag (26. Januar) in einem Gespräch mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer in München nochmals kompromissbereit gezeigt und weitere substantielle Änderungen am UGB-Entwurf angeboten. Aber auch diesen letzten Einigungsversuch hat die Union zurückgewiesen. In der Konsequenz kann der umfangreiche, innerhalb der Bundesregierung bereits abgestimmte Gesetzentwurf des Bundesumweltministeriums nicht mehr ins Gesetzgebungsverfahren gebracht werden.

Damit ist ein Projekt, das die heutige Bundeskanzlerin in ihrer früheren Funktion als Bundesumweltministerin selbst auf den Weg gebracht hatte, an dumpfem Reformunwillen und blinder Blockadepolitik der Union gescheitert. Es wird in Deutschland weiterhin kein einfaches, transparentes und unbürokratisches Umweltrecht aus einem Guss geben; die bestehende Zersplitterung des Rechts bleibt bestehen.

Mit ihrer Verhinderung eines vereinfachten und einheitlichen Umweltrechts schadet die Union der Wirtschaft und der Umwelt gleichermaßen. Gerade in Zeiten wie diesen braucht die Wirtschaft Erleichterungen für Investitionen und Abbau von bürokratischen Hindernissen. Mit dem UGB wollten wir das historisch gewachsene, aber teilweise unübersichtlich gewordene deutsche Umweltrecht in einem Gesetzbuch zusammenführen, vereinfachen und modernisieren. Kernstück ist die so genannte integrierte Vorhabengenehmigung.

Das UGB hätte bedeutet: Bundeseinheitliche Regelungen im Wasser- und Naturschutzrecht statt 16 unterschiedliche landesgesetzliche Vorschriften. Das UGB hätte im Immissionsschutz- und Wasserrecht bedeutet: Ein Projekt – eine Behörde – ein Verfahren – eine Genehmigung. Diese Vereinfachungen hat die Union bewusst verhindert. Jetzt bleibt es bei dem Nebeneinander verschiedener Genehmigungsverfahren und 16 unter¬schiedlicher Länderregelungen im Naturschutz- und Wasserrecht.

Die Großindustrie kann sich mit ihren Stabsabteilungen solche aufwändigen Verfahren leisten. Wenn Vertreter der Union nun im Verein mit dem BDI das Scheitern des UGB als nicht so wichtig herunterspielen, ist das purer Zynismus. Das UGB hätte gerade die kleinen und mittleren Unternehmen von bürokratischem Aufwand und Kosten entlastet. Das hat die Union verhindert, und dem BDI sind die Interessen großer Konzerne offenbar wichtiger! Die Union redet viel über Mittelstandsförderung. In der Praxis tut sie das Gegenteil.

Die Gründe, die die Union jetzt gegen das UGB ins Feld führt, sind durchweg unzutreffend und vorgeschoben: Weder werden Umweltanforderungen verschärft noch sind Unsicherheiten beim Vollzug zu erwarten. Die Vorschriften über die integrierte Vorhabengenehmigung sind von Praktikern aus Behörden und Unternehmen in einer Serie von Planspielen und Fachgesprächen anhand realer Genehmigungsfälle erprobt worden. Das Ergebnis war eindeutig: die Bestimmungen funktionieren in der Praxis und sind flexibel, zeit- und bedarfsgerecht einsetzbar. Die für den Vollzug des Umweltrechts zuständigen Umweltminister der Bundesländer, auch die von Baden-Württemberg und NRW, stehen einmütig hinter dem Projekt – mit Ausnahme Bayerns.

Auch der Nationale Normenkontrollrat hat in seiner Bewertung des UGB-Entwurfs bestätigt, dass vom UGB eine deutliche bürokratische Entlastung und ein Impuls für Wachstum und Beschäftigung zu erwarten sei. Er hat das Bundesumweltministerium ausdrücklich aufgefordert, den eingeschlagenen Weg konsequent weiter zu gehen. Diesen Weg hat die Union mit ihrem Nein zur integrierten Vorhabengenehmigung nun verbaut.

Ich habe in der vergangenen Woche auf Bitten der Bundeskanzlerin in einem Gespräch mit dem bayerischen Ministerpräsidenten einen letzten Versuch unternommen, die Union, insbesondere die CSU, zu einer konstruktiven Haltung zu bewegen. Dabei habe ich die Aufnahme einer so genannten „Opt-out“-Klausel angeboten, die den Ländern eine Herausnahme der besonders strittigen wasserrechtlichen Zulassung aus dem neuen Recht gestattet hätte. Mit diesem Angebot bin ich  an die Grenze des nach dem Koalitionsvertrag noch Vertretbaren gegangen. Aber auch dieses Entgegenkommen wurde abgelehnt.

Stattdessen besteht die CSU darauf, dass die Bundesländer das Recht erhalten sollen, die integrierte Vorhabengenehmigung auszuschließen und weiterhin mit den bisherigen Genehmigungsverfahren zu operieren. Damit würden in Deutschland nebeneinander zwei unterschiedliche Genehmigungssysteme bestehen. Das ist das Gegenteil von Vereinfachung. Das wäre ein völlig unkalkulierbares bürokratisches Monster geworden. Deshalb habe ich heute die Reißleine ziehen müssen und stelle fest: Hier ist ohne Sinn und Verstand ein Vorhaben zerschlagen worden, das gerade für mittelständische Unternehmen und für Behörden erhebliche Erleichterungen gebracht hätte.

Seit den 80er Jahren wurden auch von Seiten der CDU/CSU ein UGB und die integrierte Vorhabengenehmigung gefordert, um das Genehmigungsrecht zu vereinfachen. Mit der Föderalismusreform 2006 hat der Bund die hierfür notwendigen Gesetzgebungskompetenzen erhalten. Der Koalitionsvertrag sieht ausdrücklich vor, dass noch in dieser Legislaturperiode ein UGB mit integrierter Vorhabengenehmigung verabschiedet wird.

Getrieben von Besitzstandswahrern, Bedenkenträgern und Berufsablehnern machen wesentliche Teile der Union jetzt, wo den Worten Taten folgen sollen, eine Vollbremsung. Die Union stellt sich damit sowohl gegen den verfassungspolitischen Auftrag der Föderalismusreform als auch gegen den Koalitionsvertrag.“